* Unterrichtsprinzipien
* Unterrichtsprinzipien
===3.6 Veranschaulichung===
===3.7 Schüleraktivierung/Selbsttätigkeit===
''Das Unterrichtsprinzip Selbsttätigkeit besagt, dass Schülern Gelegenheit gegeben werden soll, einen Sachverhalt mit Hilfe ihrer individuellen Lern- und Handlungsmöglichkeiten zu bearbeiten, damit sie dabei ihre Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstidentität entwickeln können. ''
<div style='text-align: left;'>'''Begriffsbestimmung:'''</div>
* '''Selbst''' = Ich- und Personenkern des Menschen, Drang zur Weiterentwicklung
* '''Tätigkeit '''= manuelles Tun, auch kognitive, sinnliche, emotionale, schöpferische, produktive, meditative, rezeptive Aktivität
* '''Selbsttätigkeit in der Schule''': Tätigkeit des Selbst an einer Sache
* '''Aktivierung''': Perspektive des Lehrers, der Überlegungen anstellt, wie die Schüler zum selbsttätigen Lernen gebracht werden können
Echte Selbsttätigkeit von Menschen hat diese Merkmale:
* Sie ist ganzheitlich – wir gehen mit unserem Denken (Kopf), Emotionen (Herz) und unserem Handeln (Hand) ganz auf in der Sache, die wir tun.
* Wir können uns für die Sache wirklich begeistern und verbinden positive Gefühle damit.
* Wir gehen bei einer Sache in die Tiefe und wollen sie genau und detailliert verstehen.
Die Hochform der Selbsttätigkeit ist erreicht, wenn sich die Schüler mit einer Sache beschäftigen wollen, wenn sie sich hier selber Ziele stecken, wenn sie selber nach Wegen suchen, wie sie diese Ziele erreichen können, wenn sie andere suchen um mit ihnen zu lernen, wenn sie sich selber Informationen beschaffen und wenn sie selber kontrollieren was sie erreicht haben.
<div style='text-align: left;'>''' '''</div>
<div style='text-align: left;'>'''Anthropologische Begründung:'''</div>
Es liegt in der Natur des Menschen, von Geburt an aktiv zu sein und die Welt zu erkunden. Welchen unglaublichen Aktivitätsdrang wir dabei entfalten, können angestrengte Mütter bestätigen, vor deren einjährigen Kindern keine Schublade sicher ist wie alles andere was sich öffnen lässt. Wenn Menschen ihren natürlichen Aktivitätsdrang verlieren, liegt eine Störung vor.
Wir wollen die Dinge selber machen, wollen ausprobieren, tüfteln, experimentieren – vorausgesetzt, eine Sache interessiert uns. Auf Anleitungen greifen wir erst dann zurück, wenn wir durch Ausprobieren nicht mehr weiterkommen.
<div style='text-align: left;'>'''Psychologische Begründung:'''</div>
* Der Konstruktivismus und die Kognitionspsychologie sehen Lernen als einen aktiven, konstruktiven, selbst organisierten, selbst kontrollierten Prozess, der nur über Selbsttätigkeit in Gang kommen kann.
* Der Schweizer Kognitionspsychologe Hans Aebli lehrt: Im praktischen Tun liegt der Ursprung allen Denkens, denn Denken geht aus dem Handeln hervor. Dem Begreifen geht das Greifen (mit den Händen) voraus. Entscheidend für das Verstehen ist jedoch, dass die Handlungen auch versprachlicht werden! Lehrer sollen also ihre Schüler auch in den praktischen Fächern immer dazu anhalten zu erklären was sie gerade tun.
* Auch die klassischen Lerntheorien bestätigen die Forderung nach Selbsttätigkeit. Edward Thorndike war Professor für Psychologie an der Columbia University. Seine Lerntheorie vom Lernen über Versuch und Irrtum belegt: Was wir selber durch eigenes Ausprobieren herausgefunden haben, haftet besser in unserem Gedächtnis. Das Lernen über Versuch und Irrtum ist jedoch sehr zeitaufwändig. Der schulische Alltag mit seinem Zeit- und Stoffdruck lässt für diese wichtige Form des Lernens wenig Zeit.
* Selbsttätigkeit und Motivation hängen eng zusammen. Je mehr Spaß wir an einer Sache haben, desto aktiver werden wir und desto besser lernen wir. Der Hirnforscher Gerald Hüther meint dazu: „Begeisterung ist Dünger für das Gehirn“ oder „Wir lernen nur, was wir auch lernen wollen”. Wenn Lerninhalte mit unangenehmen Gefühlen verbunden werden, vergessen wir diese umso schneller wieder.
<div style='text-align: left;'>'''Pädagogische Begründung: '''</div>
* Betonung der Selbsttätigkeit als Grundsatz von Erziehung und Unterricht seit Comenius („Ich bin auf der Suche nach einer Methode, bei der die Lehrer weniger lehren und die Schüler mehr lernen.“)
* John Dewey’s Erziehungsphilosophie folgt dem Prinzip: „learning by doing" – Lernen durch Handeln in einem problemorientierten Unterricht. In Deweys Schule wird beim Thema „Wie funktioniert ein Motor?“ ein echter Motor von den Schülern auseinander- und wieder zusammengebaut. Dabei lernen die Schüler die Bestandteile des Motors, seinen Aufbau und seine Funktionsweise.
* M. Montessoris Pädagogik betont die „Selbsterziehung über Selbstentfaltung durch Selbsttätigkeit"; Lehrer leisten dabei nur bei Bedarf Hilfestellung. Der berühmte Satz „Hilf mir, es selbst zu tun!" aus dem Mund eines Montessori Zöglings ist eine Grundlage ihres Schulkonzeptes.
* Selbstständigkeit ist unverzichtbarer Bestandteil von '''Mündigkeit '''(seit dem Aufklärungsjahrhundert Ziel aller erzieherischen und pädagogischen Maßnahmen). Mündig wird der Einzelne nur durch sein eigenes Tun: dazu muss man ihm die erforderlichen Strukturen und Bedingungen zu Verfügung stellen.
'''Soziologisch – gesellschaftliche Begründung:'''
* Auftrag der Schule, Schüler zu selbstständigem Urteil und eigenverantwortlichen Handeln zu befähigen (BayEUG)
* Selbsttätigkeit fördert Schlüsselqualifikationen wie z.B. Kreativität, Problemerkennung und –lösung, Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit.
* Man spricht heute von einer „veränderten Kindheit“. Von Kindern wird schon sehr früh ein eigenverantwortliches Handeln gefordert. Sie können und sollen über vieles alleine und selbständig entscheiden (Essen, Kleidung, Freunde, Geldausgaben, Freizeitgestaltung, Medienkonsum, usw.). Es liegt dann schon nahe, ihnen auch in der Schule mehr Selbstbestimmung einzuräumen.
* Die moderne Gesellschaft fordert von ihren Mitgliedern ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Wenn Schule auf das Leben vorbereiten soll, muss sie die Eigeninitiative von Kindern fördern und herausfordern. Verantwortung tragen und verantwortlich handeln kann nur, wer auch Verantwortung übertragen bekommt.
'''Möglichkeiten der Umsetzung im Unterricht: '''
* Im '''Lehrerzentrierten Unterricht''':
- Leittext-Methode
- Partnerarbeit, Gruppenarbeit
- Einsatz von Lernprogrammen
- Erstellen von Mindmaps
- Kugellager
- Blitzlicht
- Referate
* Im '''Offenen Unterricht''':
- Freiarbeit/Materialgeleitetes Lernen
- Tagesplan- bzw. Wochenplanarbeit
-Stationentraining
- Projektunterricht
* '''Weitere Möglichkeiten: '''
- Arbeitsgemeinschaften
- Schülerfirmen
- Schülerzeitung
- Schulfeste
'''Grenzen der Umsetzung im Unterricht: '''
* Nicht alle Lerninhalte der Schule sind für das selbstständige Erarbeiten durch die Schüler geeignet. Schwierige oder gefährliche Inhalte werden besser lehrergesteuert über Instruktion vermittelt.
* Lernschwache Schüler sind durch offene selbst gesteuerte Unterrichtsformen überfordert, sie brauchen mehr Instruktion und Führung beim Lernen. Offene Lernformen kommen vor allem guten Schülern entgegen.
* Die Fächergliederung und der 45 Minuten Takt einer Schulstunde machen die Umsetzung von Projekten schwierig.
* Selbsttätigkeit beim Lernen muss erst gelernt und eingeübt werden. Die Umstellung erfordert eine frühe Einführung und Eingewöhnung bereits in der Grundschule wie das der Lehrplan PLUS vorsieht.
* Selbsttätigkeit ist für die Schüler mit hohen Anforderungen und Anstrengungen verbunden und überfordert als alleinige Arbeitsmethode die Schüler. Die Verbindung aus lehrergesteuerten und schüleraktivierenden Phasen wirkt der Überforderung entgegen.
* Selbsttätige Lernformen bedeuten für Lehrer einen deutlich höheren Vorbereitungsaufwand, da das Herstellen der notwendigen Lernmaterialien immer zeitaufwändig ist.
===3.8 Strukturierung===
''Das Unterrichtsprinzip Strukturierung fordert, dass sich der Erwerb von Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen des Schülers in Form eines geordneten Aufbaus vollziehen soll. Dazu müssen die Struktur des Lernenden und die Struktur der Methode zusammenpassen.''
<div style='"text-align: justify;'">„Bei der Unterrichtsplanung beginnen Fragen der Strukturierung mit der genauen Sachanalyse, dieser folgen Überlegungen zur methodischen Strukturierung des Unterrichtsverlaufs, die sich an den Strukturen der lernenden Schüler (Strukturen des Denkens, Fühlens, Könnens und Wollens) und ihren Handlungsschemata und Problemlösestrategien zu orientieren haben.“ (Wiater, Werner: Unterrichtsplanung. S. 158)</div>
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